Heute stellt uns der Windecker Musikwissenschaftler Matthias Henke ein Gedicht vor, das im Jahr 1636 geschrieben wurde. Von dem Arzt und Lyriker des Barock Paul Fleming (1609 – 1640).
Matthias Henke schreibt dazu:
"Mir kommt in diesen Tagen immer wieder ein Gedicht von Paul Fleming in den Sinn, eines der ersten, das ich noch als Kind auswendig gelernt habe. Mir hat schon damals der ungebrochene Optimismus
gefallen, den sich der Dichter trotz des 30-jährigen Krieges bewahrt oder besser bewahren möchte, es ist ja ein Appell an das eigene Ego. Das Sonett ist aber auch formal ein Meisterstück, man
schaue nur, wie Fleming die Schlusssentenz mottoartig fixiert.
Dies nur mal so nebenbei, ciao, Matthias"
Paul Fleming
An sich
Sey dennoch unverzagt. Gieb dennoch unverlohren.
Weich keinem Glücke nicht. Steh´ höher als der Neid.
Vergnüge dich an dir / und acht es für kein Leid /
hat sich gleich wider dich Glück´/ Ort / und Zeit verschworen.
Was dich betrübt und labt / halt alles für erkohren.
Nim dein Verhängnüß an. Laß´ alles unbereut.
Thu / was gethan muß seyn / und eh mans dir gebeut.
Was du noch hoffen kanst / das wird noch stets gebohren.
Was klagt / was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
ist ihm ein ieder selbst. Schau alle Sachen an.
Diß alles ist in dir / laß deinen eiteln Wahn /
und eh du förder gehst / so geh` in dich zu rücke.
Wer sein selbst Meister ist / und sich beherrschen kan /
dem ist die weite Welt und alles unterthan.
Sei unverzagt - so lautet Paul Flemings Appell An sich selbst. In Zeiten wie diesen gibt uns Zuversicht die Kraft, mit den Einschränkungen zu leben.
Die Beherrschung, die Paul Fleming im letzten Vers anspricht, ist in Corona-Zeiten wichtiger denn je. Nicht mehr das tun können, was einem im Sinn steht: Ausgelassen feiern, sich spontan umarmen,
die Welle der Begeisterung in der Südkurve erleben. Geht nicht. Darf nicht. Ende der gesellschaftlichen Ausgelassenheit. Statt dessen Beherrschung seiner selbst.
So wird man, wie es auch in vielen Religionen angesagt ist, zum Meister seiner selbst. Und Paul Fleming setzt noch einen drauf: Wem das gelingt, dem ist die weite Welt und alles untertan. Wenn
uns dazu die Corona-Krise befähigt, dann hat sie uns trotz allen Übels ein gutes Stück weitergebracht.