Jürgen Orthaus spricht mit dem Konzertmanager Florian Koltun über die Zukunft der
Klassikkonzertreihe bei kabelmetal
am 13.3.2016 nach dem Klassikkonzert mit Giovanni Cultrera
Florian Koltun, dein Eindruck von diesem Konzert?
Es war ein wundervolles Konzert mit dem Titel "Mystische Gestalten". Das Programm war sehr romantisch gehalten. Wir hatten einen wunderbaren Pianisten aus Italien eingeladen, Giovanni Cultrera, der dieses Mystische perfekt auf den Punkt gebracht hat.
Für die Bilder einer Ausstellung von Mussorgski hat er standing ovations bekommen. Beeindruckend!
Natürlich. Jeder Pianist, der Bilder einer Ausstellung von Mussorgski – wir sagen in der Szene “Schilder einer Baustelle“ - souverän spielt, ist ein Pianist auf einem unglaublich hohen Level. Bei Wettbewerben ist es das Werk, an dem man einen Pianisten messen kann. Nicht nur technisch sondern auch musikalisch. Wie Giovanni Cultrera dieses hinbekommen hat, ich glaube, nur wenige Pianisten können das auf diesem Niveau.
Welche Bilder einer Ausstellung von Mussorgski hat Giovanni Cultrera gespielt?
Wir haben das Bild: "Die Hütte des Baba Yaga" und dann "Das große Tor von Kiew“ als finalen Schlusspunkt. Der Zyklus bekommt natürlich die beste Entfaltung, wenn man ihn komplett hört. Aber gerade "Die Hütte des Baba Yaga", das Dämonische, passt perfekt zum Titel des Konzerts "Mystische Gestalten". Ich denke, das Wetter heute und dazu "Das große Tor von Kiew" das bringt gute Laune.
Wir haben bei kabelmetal schon wunderbare Konzerte erlebt. Nach welchen Kriterien suchst du die Künstler aus?
Natürlich ist das entscheidende, dass der Künstler sich in dieser Umgebung gut fühlt. Ich habe jetzt schon 2 Jahre hier sein dürfen und habe schon ein bisschen die Menschen verstehen gelernt. Mir ist wichtig, dass eine gute Verbindung vom Publikum zum Künstler und vom Künstler zum Publikum geschaffen wird.
Wir hatten heute ein unglaublich aufmerksames Publikum. Das braucht so ein Pianist wie Giovanni Cultrera. Er hat ein super Pianissimo. Und die Ruhe, die er dadurch erzeugt, auch bei der Zugabe, in dieser Stille stoppt man den Atem. Ich bin ganz euphorisch. Das braucht so ein Künstler. Deshalb suche ich die Verbindung, die zum Publikum passt, zu diesen speziellen Leuten in Windeck.
Aber es müssen natürlich auch professionelle Künstler sein. Die müssen eine professionelle Ausbildung haben. Die müssen international angesehen sein. Gerade, wenn man eine Reihe aufbaut, ist es entscheidend, ein hohes Niveau zu präsentieren. Die Qualität ist langfristig das Kriterium, aufgrund dessen eine Reihe bestehen kann.
Natürlich sind die Möglichkeiten in Windeck begrenzt. Finanziell auch für die Künstler. Aber wenn man mit den Künstlern eine gute Verbindung, ein freundschaftliches Verhältnis hat, dann unterstützen Künstler gerne junge, aufstrebende und engagierte Veranstalter. Weil die Künstler wollen, dass die Kultur fortbesteht. Wir haben als Künstler eine Verantwortung, dass wir die Kunst erhalten. Dazu gehört es auch, außerhalb der Städte zu spielen und zum Publikum aufs Land zu fahren und dort schöne Konzerte zu gestalten. Mit Top-Niveau. Ich glaube, da ist Windeck eine gute Adresse.
Ist das Publikum in Windeck anders als anderswo?
Jein. Im 1. Jahr war ich erst mal ein bisschen geknickt. Wir hatten am Anfang wirklich sehr wenig Publikum. Das Windecker Publikum ist anfangs erst mal scheu. Aber wenn es gute Qualität erfährt, dann öffnet es sich unglaublich schnell. Ganz anders als in Großstädten. In Großstädten dauert es viel länger, dieses Publikum zu bekommen. In Windeck spricht es sich schnell herum. Diese Mundpropaganda funktioniert gut. Natürlich auch durch die KulturInitiative Windeck. Gut, dass sie ein Partner ist, der mit zieht. Der auch die Leute anspricht. Der Werbung macht. Wenn man eine Institution hat wie kabelmetal, wie die KulturInitiative Windeck, dann verstärken diese alles.
Das Publikum hier ist unglaublich aufmerksam. Auch Klassik affin. Ich habe hier das Gefühl, dass Leute kommen, die etwas von Musik verstehen. Es ist nicht so, dass das ein Laienpublikum ist.
Ich habe den Eindruck, dass sich langsam dieser Publikumskreis verfestigt, dass die Leute wieder kommen und neue dazukommen. Nicht zuletzt deswegen haben wir ja den "Freundeskreis klassischer Musik“ gegründet, um dem Ganzen auch vom Publikum her einen Rahmen zu geben. Und dieser Rahmen macht es möglich, dass wir durch Spenden den Konzertflügel bei kabelmetal vorerst erhalten.
Nicht nur den Flügel. Klassische Musik, speziell Kammermusik ist immer ein schwieriges Gebiet, weil die Werke anspruchsvoller sind. Wenn man populäre Klassik als Event vermarktet mit Feuerwerk, Gala und Musicals etc., das zieht natürlich super. Aber das ist ja nicht unser kultureller Anspruch. Deshalb brauchen wir diesen Publikumsstamm, der für die Künstler und ihre Musik ein Gefühl entwickelt. Wir brauchen dieses Stammpublikum natürlich auch finanziell.
Was fehlt außer der Miete für den Flügel noch an der Finanzierung der Konzerte?
Natürlich sind wir hier auf Sparflamme für die Künstler. Normalerweise müsste ein 4-stelliger Betrag pro Konzert für den Künstler zur Verfügung stehen. Ich gleiche das für die Künstler mit anderen Konzerten aus, bei denen sie mehr bekommen. Wir haben jetzt 400 € Gage pro Konzert für den Künstler. Uns fehlen pro Konzert 200-300 € Gage für den Künstler, bei einem Duo entsprechend mehr. Das muss ich irgendwie ausgleichen, zur Not privat. Das geht natürlich nicht auf Dauer.
Was muss geschehen?
Wenn 300 € pro Konzert mehr reinkämen, wäre ich sehr glücklich. Ich bin aber auch Realist und weiß, welche Möglichkeiten jetzt zur Verfügung stehen. Deswegen führen wir das erst Mal so weiter. Wir hoffen natürlich, dass es im Endeffekt mehr wird. Zumal wir die Klassikreihe mit bester Qualität weiterentwickeln wollen und auch müssen. Sonst bleibt uns das Publikum wieder weg. Die Finanzierung des Flügels durch den "Freundeskreis klassischer Musik" ist ein wunderbarer Anfang. Ganz herzlichen Dank dafür.
Die nächsten Konzerte: Wann wird was gegeben?
Am 17. April findet eine Geigenmatinee statt. Um 10:30 Uhr. Das ist ein Duo aus Hamburg. Ian Mardon, er spielt Violine. Er hat in Montreal studiert und lebt jetzt in Hamburg. Er spielt mit der japanischen Pianistin Yuko Hirose. Sie spielen Werke von Mozart, Schubert und Grieg.
Am 29. Mai findet eine Klaviermatinee statt. Da werde ich spielen: Busoni, von Brahms die 2. Klaviersonate und eine Bach Toccata.
Dann geht es in die Sommerpause.
Bis nach den Schulferien. Wir starten im September mit neuen Konzerten.
Herzlichen Dank und weiterhin viel Erfolg, Florian Koltun!